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Der Eurovision Song Contest (ESC) – Europas größte Musik-Show. In diesem Jahr feiert der Wettbewerb sogar 60jähriges Bestehen und erhält damit Einzug ins Guiness Buch der Rekorde für den am längsten andauernden Musikwettbewerb. Seit 30 Jahren wird die Show zudem in Australien ausgestrahlt. Der gastgebende Sender Österreichs ORF lud Down Under daraufhin ein am Wettbewerb teilzunehmen. In der 60. Ausgabe des ESC konnte sich im Grand Final schließlich Måns Zelmerlöw für Schweden gegen 26 konkurrierende Länder durchsetzen.

Man kann wohl nicht von mir behaupten, dass ich so ein Hardcore-ESC-Fan bin und daher schon Wochen vorher alle Songs anhöre, mich über die Künstler informiere und die Ausstrahlungstermine dick im Kalender anstreiche. Was aber vorhanden ist, ist mein allgemeines Interesse an diesem Wettbewerb der EBU, der Union europäischer (öffentlich-rechtlicher) Rundfunkanstalten. Mal sehe ich das Finale im Urlaub, mal zu Hause, oder auch schon mal gar nicht. Dann sehe ich mir Videos-on-Demand an. In diesem Jahr saß ich aber mal wieder vor der Flimmerkiste, als Barbara Schöneberger das Wort an Kommentator Peter Urban nach Wien übergab. Es folgte eine lange, aber kurzweilige Sendung, die ich parallel dazu auch auf dem 2nd Screen in meinem Lieblingsnetzwerk Twitter mitverfolgte. Der Hashtag #ESC2015 führte natürlich die Liste der Trending Topics am Abend an. Für Begeisterung sorgten auch die sogenannten Hashflags für jede einzelne teilnehmende Nation.

Was wusste ich zu diesem Zeitpunkt über die Teilnehmer des diesjährigen ESC? Die deutsche Hoffnung Ann-Sophie würde einen Song präsentieren, den die Nation Berichten zufolge weniger mitreißt. Finnland hatte wohl Menschen mit einer Behinderung ins Rennen geschickt, erreichte aber leider nicht das Finale. Schweden würde von den Buchhaltern sehr hoch gehandelt werden – das freute mich, stimme ich doch seit eh und je für das skandinavische Land.

Schweden – der ewige Favorit

Ja, ich stimmte dieses Jahr ebenfalls für #SWE ab und ja, das war nicht das erste Mal. Meine Beweggründe hierfür hätte Urban nicht besser formulieren können. Nach 2013 wird Schwedens SVT im kommenden Jahr also erneut seine Tore für Europa öffnen. Es wurde mal wieder Zeit! Man kann behaupten, dass ich bis auf den Sieg von Azerbaijan im Jahr 2011, meist ziemlich gut darin liege einen Sieg “vorherzusagen”. Ich hatte also noch keinen Song bewusst vorher gehört, während der Live-Sendung aber die Songs von Schweden (späterer Gewinner) und Belgien (Platz 4) online gekauft. Russland hatte mich mit einer Ballade dann tatsächlich auch umgehauen – nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen belegten sie am Ende einen souveränen Platz 2. Als letzter von allen 27 Auftritten am Abend traten dann noch drei Italiener auf die Bühne und gaben eine Arie zum Besten. Il Volo habe ich zwar nicht gekauft, fand ich aber auch sehr originell und sah ich ebenso in den Top 10 des Abends – sie kamen auf Platz 3. Besonders freue ich mich über den 5. Platz von Australien! Sänger Guy Sebastian ist zwar bereits bekannt im Musikbusiness, aber gerade bei einer Erstteilnahme ist eine zufrieden stellende Platzierung natürlich eine schöne Wertschätzung. Dass Deutschland keine Punkte bekam, hat mich schon sehr gewundert – aller vorhergegangener Kritik zum Trotz. Und dass dann auch noch der Gastgeber und somit auch Vorjahresgewinner nicht nur Null Punkte, sondern sogar letztplatzierter wird, ist schon sehr schade. Natürlich träumt keine Rundfunkanstalt davon, 2 Shows dieser Dimension in Folge austragen zu müssen, aber wie hoch wird wohl die Wahrscheinlichkeit sein, dass der Titel verteidigt wird (die Jahre 1992 bis 1994 mit 3 Folgesiegen Irlands ausgenommen).

Same but different

Weniger spektakulär lief die Show als solche ab. Der ORF zeigte zwar die Vielseitigkeit des kleines Landes Österreich, der weitere Verlauf der Sendung blieb aber vom Empfinden her sehr an den Standards der bisherigen Shows. Im Hintergrund ist da dann auch wie immer Peter Urban, altes Urgestein des NDR und ESC-Kenner. Er hat mich durchaus auch schon zur Weißglut gebracht mit seinen Anmerkungen zu Outfits, Performances oder Songs; in diesem Jahr hielt er sich aber zurück und brachte mich sogar zum Lachen.

Nachdem ich nun leider nur Tweets einbinden kann, die sich beide zudem auf Russland beziehen, gehe ich gerne auch noch dazu kurz näher darauf ein. Gerüchten zufolge sollen Auftritte von Conchita Wurst im russischen Fernsehen nämlich weitestgehend zensiert worden sein. In diesem Fall wäre ein Sieg Russlands fast noch besser gewesen, weil der Preis dann erst Recht von einer bärtigem “Frau” überreicht hätte werden müssen. Eine Szene, die unmöglich für Länger hätte zensiert werden können. Alle Einigkeit der EBU hin oder her, DAS wäre eine klasse politische Botschaft gen Osten gewesen – zumal Irland als erstes Land überhaupt auf der Welt und Teil Europas gerade erst das Recht der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare verfassungsrechtlich zusicherte.

Einheit ist einfacher als Zwietracht

Der Wettbewerb stand in diesem Jahr unter dem Motto Building Bridges. Optisch wurde das natürlich oft genug dargestellt – sei es beim Einmarsch der Teilnehmer oder beim Aufruf der Länder zur Punktevergabe. Dass auch nach Australien eine große Brücke geschlagen wurde, unterstrich wieder mal, wie klein die Welt am Ende dann doch ist. In Europa findet regelmäßig dieses Musikfest statt, das Millionen Menschen auf der anderen Seite der Erde ebenfalls mitverfolgen. Endlich durften sie dann mitspielen. Ein anderer Kontinent, eine völlig andere Zeitzone, aber dieselbe Motivation an etwas Großem teilzunehmen. Als Schweden seine Punkte bekannt gab, ging die Dame auf dem Bildschirm (dessen Namen ich nicht herausfinden kann) dann auch genau darauf ein. Es würde deutlich zu erkennen sein, dass es sich beim ESC um etwas handle. Über Staatsgrenzen hinaus würde gemeinsam eine große Sache auf die Beine gestellt werden, worauf es sich lohnt – nach so vielen erfolgreichen Jahren erst Recht – mächtig stolz zu sein! Das sehe ich ebenfalls so. Einmal im Jahr kommen Menschen aus allen Ecken und Enden Europas zusammen um in einem Land von ihnen, an einem Ort, quasi sich selbst und ihre Einheit zu feiern. Musik stellt hier wieder einmal den kleinsten gemeinsamen Nenner der Menschen dar. Und dennoch ist weiterhin die kulturelle Vielseitigkeit in den Darbietungen zu sehen.

Europa hat entschieden: 2016 will man also in den Norden reisen. Die begehrte Trophäe geht damit zum sechsten Mal nach Schweden. Ich bin schon sehr gespannt, ob es erneut nach Malmö gehen soll, oder ob auch eine andere Stadt die Ehre bekommen könnte, Gastgeber für Europa zu werden. Eins ist ohnehin jetzt schon klar – ich werde bestimmt auch im nächsten Jahr wieder Sympathie für den schwedischen Beitrag empfinden und dafür stimmen wollen. Ich kenne mich doch…

Hier nun noch Heroes von #ESC2015-Gewinner Måns Zelmerlöw:

Bild: Thomas Hanses (EBU)

Nachtrag:

25. Mai 2015 | 14:00

Ein paar interessante Zahlen zum Twitter-Aufkommen während des Finales.

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