Es ist eigentlich unmöglich sich einen Überblick von der Welt zu verschaffen, die ohnehin primär von Chaos beherrscht wird. Wir leben zu einer Zeit, in der unser Alltag von Terminen und Abläufen bestimmt ist. So gesehen dreht sich die Welt gar nicht mehr um sich selber, sondern vielmehr um unseren Terminkalender. Wir empfinden sie als laut und hektisch. Da wir uns krampfhaft an die Probleme unserer Welt klammern und unsere Fähigkeiten unterschätzen, vergessen wir gerne uns zu erinnern, was der Mensch bereits alles erreicht hat. Wir sollten öfters innehalten und für einen Moment unser Augenmerk darauf richten, was wir in der Vergangenheit bisher alles geleistet haben und uns die Fragen stellen: Was habe ich persönlich schon im Leben geschafft, was meine Freunde und Kollegen, was die gesamte Menschheit?
Die Bundesrepublik Deutschland nahm im vergangenen Jahr pro Sekunde 1 335 Euro Schulden neu auf. Der Bundesminister der Finanzen, Wolfgang Schäuble, setzte dem Bund daher zum Ziel sich bis Ende 2015 nicht weiter zu verschulden. Seine „schwarze Null“ schaffte Schäuble dann insbesondere aufgrund äußerst niedriger Zinsen bereits mit Abschluss des Jahres 2014 und somit ein Jahr früher als geplant. Deutschland kommt damit nach über 40 Jahren erstmals wieder ohne neue Schulden zur Finanzierung seines Haushaltes aus. Es mag bei der Problemlösung viele Stolpersteine gegeben haben, aber letztlich wurde es gelöst, weil optimistisch und konstruktiv daran gearbeitet wurde. Fühlt es sich nicht großartig an etwas geschafft zu haben, was mitunter als völlig aussichtslos angesehen wurde? Was teilweise sogar belächelt wurde?
Im Jahr 1961 sprach der Präsident der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy, zum amerikanischen Volk und ermutigte sie, noch vor Ende des Jahrzehnts einen Menschen zum Mond und wieder sicher zurück zur Erde zu bringen. Wir kennen den weiteren Verlauf der Geschichte: Am 20. Juli 1969 landeten Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf der Mondoberfläche. Es war knapp. Um dem Wunsch des bereits verstorbenen Präsidenten in jedem Fall gerecht werden zu können, wurden noch zwei weitere mögliche Starttermine im August und September des Jahres geplant. So sollte sichergestellt werden, dass die Mission noch vor Jahresende gelingen könne. Es gehört natürlich eine Menge Ingenieurleistung zu so einer Unternehmung. Dennoch sind es Menschen wie du und ich, die an etwas glauben und angetrieben werden – von ihrem Optimismus.
Nur wenigen Menschen ist es vergönnt einmal eine völlig andere Sicht auf die Dinge zu bekommen, die Welt – sprichwörtlich – als Ganzes zu sehen. Astronauten, die den „Overview-Effect“ erlebt haben, ändern danach auch auf der Erde ihre Sicht auf die Dinge. Einer von ihnen ist der Kanadier Chris Hadfield. Drei Mal ließ er die Erdanziehungskraft hinter sich und flog ins All zur Internationalen Raumstation. Alle Flüge zusammen gerechnet verbrachte er mehr als 165 Tage in der Schwerelosigkeit.
Hadfield erlangte weltweite Bekanntheit weniger durch seinen Beruf, sondern vielmehr durch diverse Videos aus dem All, in denen er auf unterhaltsame Art von seinem Abenteuer berichtete. Und er begeisterte die Menschen mit Musik aus 400 km Höhe. So spielte er wenige Tage vor der Rückkehr zur Erde auf seiner Gitarre David Bowies Song „Space Oddity“ und produzierte dazu ebenfalls ein Video. Spätestens dann, als man darin den schwebenden Hadfield und Impressionen von unserer Heimat Erde sah, haben ihn die Menschen in ihre Herzen geschlossen. Den Mann, der lange Zeit mit dem wohl größten von Menschenhand geschaffenen und internationalen Projekt zu tun hatte, für welches bereits des öfteren der Friedensnobelpreis gefordert wurde.
Er habe immer an sich und seinen Traum vom All geglaubt. Auf die Frage, was er meine, wie er es letztlich in die Astronautenauswahl geschafft habe, spricht er von Optimismus – und ein klein wenig Glück sei wohl auch dabei gewesen. Wenn also nicht Hadfield, wer dann könnte uns dazu ermutigen innezuhalten und die Welt für einen kurzen Augenblick anzuhalten? Am Ende des Jahres 2014 erschien ein Video von Hadfield in dem er darüber sprach, weshalb es sich lohnt optimistisch zu sein. Wir beschäftigen uns viel zu sehr mit dem Negativen in der Welt. Dabei sollten wir uns lieber bewusst machen, was wir bereits alles erreicht haben, wie weit der Mensch schon gekommen ist. Seines Erachtens gibt es so viel auf der Welt, auf das es sich lohnt stolz zu sein. Wir sollten optimistisch auf das blicken, was uns geglückt ist. Das ermutigt uns auch im Hier und Jetzt, in der heutigen Zeit, die Dinge entspannter zu sehen und Neues zu schaffen.
In Wahrheit ist die Welt an vielen Stellen bereits ein besserer Ort, als wir uns selbst eingestehen. Viele Organisationen, Stiftungen und andere Einrichtungen fördern seit Jahrzehnten die Entwicklung unseres Fortbestehens. Durch sie wurden Menschenleben erhalten, wo früher noch Krankheiten, Hunger und Konflikte vorherrschten. Wir bereiten uns doch eigentlich selbst Probleme. Die einen lassen sich zwar recht einfach und schnell lösen, die anderen aber fordern uns heraus. Wir haben erfahren wie es ist sie zu lösen, indem wir partnerschaftlich agieren. Nichts ist von Beginn an gleich perfekt. Aber das gilt es nicht zu beklagen, sondern vielmehr als Ansporn zu sehen. Wer wagt, der auch gewinnt – betrachten wir doch Probleme als Herausforderung. Womöglich ist es ja dann gar nicht mehr so weit bis zum Ziel. Wir müssen es nur zuversichtlich angehen. Vielleicht ist es dann nur noch ein kleiner Schritt für einen Menschen – aber ein großer für die Menschheit.
Niemand verändert die Welt von einem Tag auf den anderen, schon gar nicht alleine. Weil alles mit einem einfachen Entschluss beginnt, müssen auch wir uns entscheiden: Wie wollen wir unsere Zukunft gestalten? Ob gesellschaftlich, geologisch, ökologisch oder wirtschaftlich motiviert, Hadfields Entschluss für 2015 ist es dabei zu helfen die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Was ist Ihrer?
Der Artikel entstand im Rahmen meines Studiums. Einzige Vorgabe dabei war das Stichwort “Optimismus”. Am 11. Juni 2015 wurde der Artikel auf Suedseiten.de der Börse München veröffentlicht.
Chris Hadfield hat übrigens auch ein Buch geschrieben. Es heißt Anleitung zur Schwerelosigkeit – ich habe es gelesen.
Das Titelbild ist ein Selfie aus dem All, aufgenommen an Bord der ISS im März 2013.